Sie lieben es nicht

Berliner Beschäftigte von McDonald’s und Starbucks streiken für zwölf Euro Stundenlohn

Von Jörg Meyer

Seit Wochen legen die Beschäftigten der Systemgastronomie immer wieder die Arbeit nieder, wie hier am 10. Februar in Haldensleben. Foto: NGG

Der Blick durch die Fenster der normalerweise gut besuchten McDonald’s-Filiale am Checkpoint Charlie lässt keinerlei Bewegung im Inneren erkennen. Am Montagmorgen ist der Laden dicht, kein Burger-Rohling wandert auf den Grill, kein Kaffeebecher wird gefüllt. Die Frühschicht ist seit zehn Uhr im Warnstreik, der zweite in dieser Tarifrunde.

Die zehn Beschäftigten stehen mit leuchtend gelben Streikwesten und Gewerkschaftsfahnen auf dem Bürgersteig, verteilen Flyer an Passant*innen und unterhalten sich. »Wir sind wütend! Und kämpfen weiter für 12 Euro mindestens«, steht auf dem Flugblatt. Anfangs hatten die Arbeitgeber vom Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) eine Erhöhung des Einstiegslohns auf 9,48 Euro angeboten. Zum Vergleich: Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland ist zum 1. Januar auf 9,35 Euro gestiegen. »Das Angebot ist eine Frechheit!« Die Gewerkschaftssekretärin Funda Römer findet deutliche Worte, wenn sie über die laufende Tarifrunde spricht. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) fordert weiterhin mindestens zwölf Euro pro Stunde für die rund 4000 Beschäftigten in der Berliner Systemgastronomie.

In der dritten Verhandlungsrunde hatte der BdS nach NGG-Angaben zwar angeboten, das auch zu realisieren, allerdings erst bis 2024. Der Gewerkschaft und den Beschäftigten dauert das zu lange. Die Kolleg*innen seien zu Recht sauer, sagt Römer. »Sie arbeiten Tag und Nacht, an Feiertagen, jetzt ist auch noch der Tischservice in einigen Filialen dazugekommen. Wertgeschätzt wird das vom Arbeitgeber nicht.«

Das Ergebnis der Niedriglöhne bei Unternehmen wie Tank und Rast, Nordsee, Burger King, Autogrill oder Pizza Hut: »Ich arbeite hier seit 13 Jahren, bin in Vollzeit und muss aufstocken«, erzählt Elcin Sütcü. Sie ist die Betriebsratsvorsitzende in der McDonald’s-Filiale am Checkpoint Charlie, wo inklusive der Geschäftsleitung rund 40 Menschen arbeiten. So wie Sütcü geht es hier allen. »Im Schnitt arbeiten die Menschen hier seit fünf bis acht Jahren«, sagt ein Beschäftigter, einige auch schon seit 15 oder 20 Jahren. Wer eine Chance auf etwas Besseres habe, geht, sagt er. »Alles andere wäre fahrlässig.«

»Es geht ja nicht nur um McDonald’s«, sagt eine Kollegin. »Die niedrigen Löhne sind generell das Problem in der Systemgastronomie. Deshalb finden die auch keine Leute mehr, die hier arbeiten wollen.« Eine neue Kollegin habe nach drei Stunden Probearbeit wieder aufgehört, erzählen die Streikenden. »Den Stress wollte sie sich für das wenige Geld nicht antun.« »Mit Hartz IV bekommst du unterm Strich mehr heraus«, sagt einer. Die Wut ist hier spürbar.

Nach drei ergebnislosen Verhandlungsterminen beginnt am 2. März in München die Schlichtung für die bundesweit insgesamt 120 000 Beschäftigten in der Systemgastronomie. Der BdS ließ sich durch die Warnstreiks und Aktionen bisher kaum von seiner Position abbringen, sei aber »weiterhin kompromissbereit«, heißt es in einem Statement von BdS-Hauptgeschäftsführerin Andrea Belegante auf nd-Anfrage. Aber: Personalkosten seien »schon jetzt einer der größten Posten in der unternehmerischen Kostenrechnung und müssten über mehrere Stellschrauben abgefedert werden« – etwa »über eine Einpreisung in die Angebotspalette oder über Effizienz- und Produktivitätssteigerungen«. Laut der Betriebsratsvorsitzenden Sütcü stehen die Mitarbeiter am Checkpoint Charlie schon jetzt pro Schicht mit drei Leuten in der Küche, »und wir machen die Arbeit von acht Leuten«.

Ziel sei, »dass für Beschäftigte und Arbeitgeber der Branche gleichermaßen Planungssicherheit geschaffen und eine für beide Sozialpartner tragbare Lösung gefunden wird«, schreibt Belegante. Aus Sicht der Beschäftigten muss sich der BdS dafür bewegen, und zwar deutlich. An diesem Montag betrafen die Warnstreiks neben der McDonald’s-Filiale auch zwei Berliner Starbucks-Filialen. Vor der Schlichtung am nächsten Montag haben die Beschäftigten weitere Streiks in anderen Städten angekündigt.

Zuerst online veröffentlicht am 24. Februar 2020 in “neues deutschland