Die Beschäftigten in der Systemgastronomie kämpfen um bessere Bezahlung. Denn zumindest in Berlin ist es nicht die Ausnahme, dass Vollzeitkräfte noch aufstocken müssen. Der Arbeitgeberverband in der Systemgastronomie hebt dagegen hervor, man habe doch in den letzten Jahren viele Jobs geschaffen und besonders Geflüchtete eingestellt. Die aktuelle Forderung der Gewerkschaft NGG nach 12 Euro sei deshalb wirtschaftlich nicht abbildbar. Das Festhalten an Armutslöhnen damit zu begründen, dass man mehr Niedriglohnjobs geschaffen hat, zeugt von Verachtung gegenüber den Belegschaften, findet Jörg Meyer.
Die Arbeitsbedingungen in der Systemgastronomie sind hart: Wochenend- und Nachtschichten, schwere Arbeit, jede Menge Stress. Wird das wertgeschätzt? Nein. Die Bezahlung ist unterirdisch. Wer Vollzeit arbeitet, muss zum Amt und aufstocken. Mit Blick auf die Rente heiß das: Grundsicherung. Die aktuelle Forderung der Gewerkschaft nach zwölf Euro mindestens ist berechtigt. Doch sind zwölf Euro die Stunde noch immer ein Armutslohn. Um nach 45 Beitragsjahren eine gesetzliche Rente oberhalb der Grundsicherung zu bekommen braucht es laut Bundesregierung ein Mindesteinkommen von 12,63 Euro pro Stunde.
All das dürften die Arbeitgeber im Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) wissen. Doch sie geben sich uneinsichtig. Nun soll geschlichtet werden, um zu einer »für beide Sozialpartner tragbaren Lösung« zu kommen. Doch wie soll die aussehen? Die Beschäftigten verdienen Mindestlohn. Sie wissen, dass sie so in der Altersarmut landen. Ein Kompromiss an dieser Stelle bedeutet für die Beschäftigten noch immer Altersarmut. Mit Sozialpartnerschaft, gar sozialer Verantwortung hat das wenig zu tun. Wir sprechen hier nicht von kleinen Mittelständlern, sondern mit McDonald’s, Starbucks etc. von global agierenden Konzernen. McDonald’s leistet sich etliche Immobilien in bester City-Lage, Geld scheint also da zu sein.
Dass der BdS in den Tarifauseinandersetzungen betont, man habe doch in den letzten Jahren 15 000 Menschen und besonders 5000 Geflüchteten »Berufsperspektiven und Karrierechancen« gegeben, kann freundlichstenfalls zynisch genannt werden. Investitionen und Beschäftigungsaufbau sind an sich eine gute Sache. Auch dass Unternehmen Geflüchteten eine bezahlte Arbeit geben. Wenn dies jedoch als Argument dafür herhält, die Löhne insgesamt auf Armutsniveau halten zu können, ist das einfach nur schäbig. Es zeigt die Verachtung, mit der dieser Arbeitgeberverband über die Beschäftigten denkt.
Zuerst veröffentlicht in der Printausgabe von “neues deutschland” am 25. Februar 2020, Seite 9