Unerwartete Transformation

„Transformation“ meint einen Umbau der Gesellschaft in nahezu allen Lebensbereichen, von unserer Umwelt über die Privathaushalte bis zu den Arbeitsplätzen der Menschen. Die Rede ist in dem Zusammenhang von mehreren gleichzeitig ablaufenden, ineinander verwobenen Entwicklungen: Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demografie und als neuere Entwicklung die De-Globalisierung. Wie effektiv politische Maßnahmen erscheinen, hängt auch von deren Vermittlung ab und wer dafür bezahlt, ist umstritten.

Politik mit glaubhaften Maßnahmen

Forscher:innen der Harvard University haben Mitte Juli die Ergebnisse einer internationalen Studie 1Dechezleprêtre, Antoine; Fabre, Adrien; Kruse, Tobias; Planterose, Bluebery; Sanchez Chico, Ana; Stantcheva, Stefanie: Fighting Climate Change: International Attitudes Toward Climate Policies. Harvard 2022, online unter https://scholar.harvard.edu/files/stantcheva/files/international_attitudes_climate_change.pdf (abgerufen am 29. 7. 2022). veröffentlicht. Über 40.000 Menschen in 20 Ländern,2Vgl. ebd., S. 3. Zu den untersuchten Ländern zählen neben den wirtschaftlich stärksten Mitgliedsstaaten der EU Kanada, die USA, Mexiko, Indien, China, Südafrika und Brasilien. die für insgesamt 72 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich sind, wurden nach ihren Einstellungen zum Klimawandel und zu klimapolitischen Maßnahmen befragt. Die Ergebnisse sind interessant: Länderübergreifend hängt die Zustimmung zu von einer Regierung ergriffenen klimapolitischen Maßnahmen davon ab, in wie weit diese Maßnahmen glaubhaft vermittelt werden. 

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Eine Struktur für gutes Ankommen

Nach der Krise am Landesamt für Gesundheit und Soziales in den Jahren 2015 und 2016 wurde in Berlin das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten gegründet. Die hier Beschäftigten arbeiten mit hoher Motivation für die gute Unterbringung der neu Ankommenden.

Text: Jörg Meyer
Fotos: Jan Brenner

Der Weg führt durch eine Sicherheitsschleuse in den Neubau. Wir gehen an diesem 10. Februar vorbei am Sicherheitsdienst durch das Gebäude, verlassen es auf der Rückseite und stehen in einem offenen Innenhof, der von einem alten Baumbestand umgeben ist. Vögel zwitschern. Rechtwinklig zum neu gebauten Verwaltungsgebäude stehen drei dreigeschossige MUF – Modulare Unterkünfte, wie sie in den letzten Jahren in der ganzen Stadt entstanden sind. An unserer kleinen Gruppe gehen immer wieder Menschen vorbei, gehen in eine der Türen oder warten davor. Einige sitzen auf einer der Bänke, an jeder Tür stehen Beschäftigte des Sicherheitsunternehmens.

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Mehr Ausbildungsplätze als vor Corona

Berliner Ausbildungsmesse will Jugendliche und Jobs zusammenbringen

Von Jörg Meyer

»Wir haben Angebote in der Tasche, und darüber denken wir zu Hause in Ruhe nach«, sagen der junge Mann und die junge Frau. Sie kommen gerade von der diesjährigen Ausbildungsmesse der Jugendberufsagentur in Berlin-Moabit. Einzelhandelskaufmann und Industriekauffrau: »Danach haben wir gesucht«, sagen sie zu den favorisierten Ausbildungsplätzen. »Aber einen davon nehmt ihr, ja?«, fragt die blonde Frau, die die beiden auf dem Gang ins Gespräch verwickelt hat. »Ja, machen wir, und wer sind Sie?« Die Frau antwortet: »Ich bin Franziska Giffey, die Regierende Bürgermeisterin von Berlin.« – »Echt?« – »Ja, echt.«

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Der Fortschritt ist ein Zelt

Zugige Passage im Hauptbahnhof hat als Ankunftsort für Ukraine-Flüchtlinge ausgedient

Von Jörg Meyer

»Eigentlich kümmere ich mich um zwölf Hektar Wald in der schönen Uckermark«, erzählt Jens-Martin Krieg von der Berliner Stadtmission. Normalerweise leitet er dort ein Familienferiendorf mit 246 Betten. Doch normal ist derzeit wenig. Krieg ist seit Samstag zuständig für den Aufbau eines großen Zelts auf dem Vorplatz des Berliner Hauptbahnhofs, der »Welcome Hall Berlin«. Am späten Dienstagnachmittag hatte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) zusammen mit Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) die Willkommenshalle einem Pulk von Journalist*innen vorgestellt. Mit der Halle soll die Situation im Bahnhof und in der zugigen Bahnhofshalle entspannt werden.

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Neue Orte gegen die Einsamkeit

Durch die Pandemie fühlen sich doppelt so viele Menschen einsam, 36 Berliner Projekte wollen diese Situation verbessern

Von Jörg Meyer

Von einem Tag auf den anderen mussten wir alles dicht machen«, sagt Alexandra Schibath zu »nd«. Sie leitet den Bereich Stadtteil- und Kulturarbeit und Träger beim Nachbarschaftsheim Schöneberg und berichtet von dem Schock im März 2020, alles der erste Lockdown der Coronapandemie Berlin quasi von einem Tag auf den anderen erstarren ließ. »Wir haben Schilder am Haus angebracht, und dann hatten die Kolleg*innen den unfassbaren organisatorischen Aufwand, die 70 bis 80 Selbsthilfegruppen und die vielen Freizeitgruppen zu informieren.«

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»Uns geht es nicht um die Farben«

DGB-Bezirkschef Christian Hoßbach fordert vom neuen Senat, dass das Thema Gute Arbeit vorangebracht wird

Die Sondierungen für eine neue Koalition und einen neuen Senat laufen. Eine Fortführung von Rot-Rot-Grün ist möglich, eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP ebenso. Was wünscht sich der DGB?

Die letzte Koalition und der Senat haben eine Menge erreicht, und es gibt aus unserer Sicht keinen Grund, an den Grundzügen dieser Politik etwas zu ändern. Der DGB wird nicht sagen, die eine oder andere Farbe muss es unbedingt sein. Das wäre auch naiv. Wir haben ja mit allen Koalitionsparteien mal Meinungsverschiedenheiten. Aber klar: Natürlich steckt uns allen in den Knochen, was schwarz-gelbe Bundesregierungen vor 1998 und von 2009 bis 2013 besonders sozialpolitisch angerichtet haben. An vielen Stellen ist es schwer vorstellbar, dass wir mit einer FDP große Schritte nach vorne machen. Aber wir sind Einheitsgewerkschaft und sprechen mit allen demokratischen Parteien.

Wie nehmen Sie die Gespräche zwischen den Parteien bisher wahr?

Man hält sich ja sehr bedeckt, und das ist eher ein gutes Zeichen. Inhaltlich scheint der Corona-Konsens zu halten, dass zum Beispiel bei Themen wie Kündigungsschutz oder gesetzliches Rentenalter gewerkschaftliche Kernfragen nicht verletzt werden. In Berlin werden sich die Parteien anschauen, was im Bund passiert – aber automatische Auswirkungen hat das Ergebnis nicht. Und wir haben rechnerisch die Möglichkeit Rot-Rot-Grün weiterzuführen, im Gegensatz zum Bund.

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Jobcenter-Termin trotz Lockdown

Berliner Erwerbsloseninitiative kritisiert Präsenz-Pflicht für Leistungsbezieher

Von Jörg Meyer

Der neue Lockdown gilt seit dem 16. Dezember. Das Leben in der Hauptstadt ruht weitestgehend. Doch neben Lebensmittelläden, Drogerien, Buchläden oder Kfz- und Fahrradwerkstätten sind auch Behörden und Verwaltungen von der kompletten Schließung ausgenommen. Letztere bieten in Ausnahme- und Notfällen Termine an, gewollte Praxis ist das jedoch nicht. Man soll zu Hause bleiben und Kontakte vermeiden, lautet die Aufforderung.

Doch das gilt scheinbar nicht für alle: Die Berliner Erwerbsloseninitiative Basta! hat nun öffentlich gemacht, dass das Jobcenter im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf am 15. Dezember eine Person per Mail zu einem Termin vor Ort eingeladen hatte.

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Kein Gesetz, dafür viele Fragen

Wer wird gerettet und wer nicht? Diese Frage hat in den letzten Wochen die Gemüter bewegt und für teils scharfe, teils angstbesetzte Debatten gesorgt. Es geht um die Triage, die Sortierung von Patientinnen und Patienten, wenn die Behandlungsressourcen knapp werden. Die Frage ist aber auch: Wie gehen Menschen, die so schwere Entscheidungen treffen müssen, damit im Anschluss um?

Von Jörg Meyer

Schon bevor in Deutschland die Fallzahlen der mit dem SARS-CoV-2-Virus Infizierten und Erkrankten in die Höhe schnellten, war das Gesundheitssystem in Norditalien an seine Grenzen gestoßen. Es waren nicht ausreichend Intensivbetten und Beatmungsgeräte für schwer Erkrankte verfügbar. Die Ärztinnen und Ärzte mussten auswählen, wer die lebensrettende Behandlung erhielt und wer nicht. Das führte dazu, dass Menschen auf Krankenhausfluren starben, weil für sie kein Platz mehr auf den Intensivstationen war.1

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Umsonst Lebenszeit verfahren

IG BAU fordert Entschädigung für Wegzeiten / Baubeschäftigte verbringen viel unbezahlte Zeit auf Arbeitswegen

Von Jörg Meyer

Tarifverhandlungen »ohne Ergebnis vertagt« – das hatten die Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU) und die beiden Arbeitgeberverbände ZDB und HDB nach Ende der zweiten Verhandlungsrunde für die rund 880 000 Beschäftigten im Baugewerbe bekanntgegeben. Die IG BAU fordert 6,8 Prozent mehr Geld im Monat und eine Erhöhung der Ausbildungsvergütungen. Überdies will die Gewerkschaft einen Tarifvertrag zur Entschädigung für die Zeiten und Distanzen durchsetzen, die die Beschäftigte täglich zwischen ihrem Wohn- und Arbeitsort zurücklegen. 

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Nicht ausreichend und gegen EU-Recht

Gewerkschaften und Linksfraktion kritisieren Gesetz zur Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie scharf

Nun soll sie endlich in Deutschland zum Gesetz werden: die novellierte EU-Richtlinie für aus dem Ausland entsandte Arbeitskräfte. Der Bundestag berät an diesem Freitag in erster Lesung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung, der unter anderem Änderungen des Arbeitnehmerentsendegesetzes enthält. Das neue Gesetz soll Ende Juli in Kraft treten.

Der DGB und die Linksfraktion kritisieren jedoch den Gesetzentwurf. Der DGB hatte schon im Januar den Referentenentwurf eine Mogelpackung genannt (»nd« berichtete). Die Linksfraktion hat in einem Antrag von Mitte Mai einen verbesserten Entwurf von der Bundesregierung gefordert. Der vorliegende bleibe hinter den Möglichkeiten der EU-Richtlinie zurück und verstoße gegen EU-Recht, lautet die Kritik.

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