Ein Jahr Job-Turbo – Was hat es gebracht?

Von Jörg Meyer

Ein Jahr ist der sogenannte Job-Turbo, ein Maßnahmenpaket der Bundesregierung, um Geflüchtete in Arbeit zu bringen, nun in Kraft. Hat es funktioniert? Die Beschäftigungsquote bei Ukrainer:innen steigt, aber langsam. Die Gründe dafür haben nicht nur mit dem Job-Turbo zu tun. Eine Bestandaufnahme.

Der Beginn des Überfalls Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat die größte Fluchtbewegung in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs ausgelöst. Nach Zahlen des UN-Flüchtlingskommisariats UNHCR waren Anfang September dieses Jahres insgesamt rund zehn Millionen Ukrainer:innen auf der Flucht, rund 3,67 Millionen innerhalb der Ukraine, über 6,751 Millionen in anderen Ländern. Knapp 6,2 Millionen haben in europäischen Staaten Schutz gefunden. Deutschland ist laut den Zahlen des UNHCR der EU-Mitgliedsstaat, in dem die meisten ukrainischen Geflüchteten leben; aktuell sind es rund 1,1 Millionen.2

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Krankschreibungen im dritten Pandemiejahr gestiegen – psychische Erkrankungen auf Höchststand 

Von Jörg Meyer

Die Folgen der Corona-Pandemie schlagen sich in den Statistiken nieder. Mehrere Krankenkassen zeigen in ihren aktuellen Auswertungen der Zahlen zum Krankenstand teils drastische Anstiege im zweiten Halbjahr 2022. Während in dem Jahr Muskel-Skelett-Erkrankungen nach wie vor Platz eins in der Rangliste belegen, ist auch ein erneuter Höchstwert bei den psychischen Erkrankungen zu verzeichnen.

Mehrere Krankenkassen meldeten unlängst neue Höchststände bei den Fehltagen ihrer Versicherten. So war in einer Pressemitteilung der DAK Gesundheit vom „höchsten Krankenstand seit einem Vierteljahrhundert“ die Rede. In einer Auswertung der Fehltage ihrer rund 2,4 Millionen Versicherten kam die DAK für das Jahr 2022 auf einen Krankenstand von 5,5 Prozent. Im Durchschnitt fehlten die Beschäftigten 20 Tage krankheitsbedingt auf Arbeit – rund 5,5 Tage mehr als 2021. Verantwortlich seien demnach die Atemwegserkrankungen wie Erkältungen und Bronchitis, deren Zahl um 172 Prozent angestiegen sei. 

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Unerwartete Transformation

Von Jörg Meyer

„Transformation“ meint einen Umbau der Gesellschaft in nahezu allen Lebensbereichen, von unserer Umwelt über die Privathaushalte bis zu den Arbeitsplätzen der Menschen. Die Rede ist in dem Zusammenhang von mehreren gleichzeitig ablaufenden, ineinander verwobenen Entwicklungen: Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demografie und als neuere Entwicklung die De-Globalisierung. Wie effektiv politische Maßnahmen erscheinen, hängt auch von deren Vermittlung ab und wer dafür bezahlt, ist umstritten.

Politik mit glaubhaften Maßnahmen

Forscher:innen der Harvard University haben Mitte Juli die Ergebnisse einer internationalen Studie 1Dechezleprêtre, Antoine; Fabre, Adrien; Kruse, Tobias; Planterose, Bluebery; Sanchez Chico, Ana; Stantcheva, Stefanie: Fighting Climate Change: International Attitudes Toward Climate Policies. Harvard 2022, online unter https://scholar.harvard.edu/files/stantcheva/files/international_attitudes_climate_change.pdf (abgerufen am 29. 7. 2022). veröffentlicht. Über 40.000 Menschen in 20 Ländern,2Vgl. ebd., S. 3. Zu den untersuchten Ländern zählen neben den wirtschaftlich stärksten Mitgliedsstaaten der EU Kanada, die USA, Mexiko, Indien, China, Südafrika und Brasilien. die für insgesamt 72 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich sind, wurden nach ihren Einstellungen zum Klimawandel und zu klimapolitischen Maßnahmen befragt. Die Ergebnisse sind interessant: Länderübergreifend hängt die Zustimmung zu von einer Regierung ergriffenen klimapolitischen Maßnahmen davon ab, in wie weit diese Maßnahmen glaubhaft vermittelt werden. 

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Mehr Ausbildungsplätze als vor Corona

Berliner Ausbildungsmesse will Jugendliche und Jobs zusammenbringen

Von Jörg Meyer

»Wir haben Angebote in der Tasche, und darüber denken wir zu Hause in Ruhe nach«, sagen der junge Mann und die junge Frau. Sie kommen gerade von der diesjährigen Ausbildungsmesse der Jugendberufsagentur in Berlin-Moabit. Einzelhandelskaufmann und Industriekauffrau: »Danach haben wir gesucht«, sagen sie zu den favorisierten Ausbildungsplätzen. »Aber einen davon nehmt ihr, ja?«, fragt die blonde Frau, die die beiden auf dem Gang ins Gespräch verwickelt hat. »Ja, machen wir, und wer sind Sie?« Die Frau antwortet: »Ich bin Franziska Giffey, die Regierende Bürgermeisterin von Berlin.« – »Echt?« – »Ja, echt.«

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Der Fortschritt ist ein Zelt

Zugige Passage im Hauptbahnhof hat als Ankunftsort für Ukraine-Flüchtlinge ausgedient

Von Jörg Meyer

»Eigentlich kümmere ich mich um zwölf Hektar Wald in der schönen Uckermark«, erzählt Jens-Martin Krieg von der Berliner Stadtmission. Normalerweise leitet er dort ein Familienferiendorf mit 246 Betten. Doch normal ist derzeit wenig. Krieg ist seit Samstag zuständig für den Aufbau eines großen Zelts auf dem Vorplatz des Berliner Hauptbahnhofs, der »Welcome Hall Berlin«. Am späten Dienstagnachmittag hatte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) zusammen mit Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) die Willkommenshalle einem Pulk von Journalist*innen vorgestellt. Mit der Halle soll die Situation im Bahnhof und in der zugigen Bahnhofshalle entspannt werden.

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Jobcenter-Termin trotz Lockdown

Berliner Erwerbsloseninitiative kritisiert Präsenz-Pflicht für Leistungsbezieher

Von Jörg Meyer

Der neue Lockdown gilt seit dem 16. Dezember. Das Leben in der Hauptstadt ruht weitestgehend. Doch neben Lebensmittelläden, Drogerien, Buchläden oder Kfz- und Fahrradwerkstätten sind auch Behörden und Verwaltungen von der kompletten Schließung ausgenommen. Letztere bieten in Ausnahme- und Notfällen Termine an, gewollte Praxis ist das jedoch nicht. Man soll zu Hause bleiben und Kontakte vermeiden, lautet die Aufforderung.

Doch das gilt scheinbar nicht für alle: Die Berliner Erwerbsloseninitiative Basta! hat nun öffentlich gemacht, dass das Jobcenter im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf am 15. Dezember eine Person per Mail zu einem Termin vor Ort eingeladen hatte.

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Kein Gesetz, dafür viele Fragen

Wer wird gerettet und wer nicht? Diese Frage hat in den letzten Wochen die Gemüter bewegt und für teils scharfe, teils angstbesetzte Debatten gesorgt. Es geht um die Triage, die Sortierung von Patientinnen und Patienten, wenn die Behandlungsressourcen knapp werden. Die Frage ist aber auch: Wie gehen Menschen, die so schwere Entscheidungen treffen müssen, damit im Anschluss um?

Von Jörg Meyer

Schon bevor in Deutschland die Fallzahlen der mit dem SARS-CoV-2-Virus Infizierten und Erkrankten in die Höhe schnellten, war das Gesundheitssystem in Norditalien an seine Grenzen gestoßen. Es waren nicht ausreichend Intensivbetten und Beatmungsgeräte für schwer Erkrankte verfügbar. Die Ärztinnen und Ärzte mussten auswählen, wer die lebensrettende Behandlung erhielt und wer nicht. Das führte dazu, dass Menschen auf Krankenhausfluren starben, weil für sie kein Platz mehr auf den Intensivstationen war.1

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Umsonst Lebenszeit verfahren

IG BAU fordert Entschädigung für Wegzeiten / Baubeschäftigte verbringen viel unbezahlte Zeit auf Arbeitswegen

Von Jörg Meyer

Tarifverhandlungen »ohne Ergebnis vertagt« – das hatten die Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU) und die beiden Arbeitgeberverbände ZDB und HDB nach Ende der zweiten Verhandlungsrunde für die rund 880 000 Beschäftigten im Baugewerbe bekanntgegeben. Die IG BAU fordert 6,8 Prozent mehr Geld im Monat und eine Erhöhung der Ausbildungsvergütungen. Überdies will die Gewerkschaft einen Tarifvertrag zur Entschädigung für die Zeiten und Distanzen durchsetzen, die die Beschäftigte täglich zwischen ihrem Wohn- und Arbeitsort zurücklegen. 

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Nicht ausreichend und gegen EU-Recht

Gewerkschaften und Linksfraktion kritisieren Gesetz zur Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie scharf

Nun soll sie endlich in Deutschland zum Gesetz werden: die novellierte EU-Richtlinie für aus dem Ausland entsandte Arbeitskräfte. Der Bundestag berät an diesem Freitag in erster Lesung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung, der unter anderem Änderungen des Arbeitnehmerentsendegesetzes enthält. Das neue Gesetz soll Ende Juli in Kraft treten.

Der DGB und die Linksfraktion kritisieren jedoch den Gesetzentwurf. Der DGB hatte schon im Januar den Referentenentwurf eine Mogelpackung genannt (»nd« berichtete). Die Linksfraktion hat in einem Antrag von Mitte Mai einen verbesserten Entwurf von der Bundesregierung gefordert. Der vorliegende bleibe hinter den Möglichkeiten der EU-Richtlinie zurück und verstoße gegen EU-Recht, lautet die Kritik.

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Trocken bleiben in der Krise

COVID-19-Pandemie: Wie sich die eingeschränkten Therapiemöglichkeiten auf Alkoholiker*innen in Berlin auswirken

Von Jörg Meyer

Stefan Reichert* ist Alkoholiker. 30 Jahre hat er getrunken, verschiedene Phasen der Krankheit durchlebt. »Mal hast du die Sucht im Griff, mal überhaupt nicht. Das waren die Abstürze«, erzählt er. Dann hätten Freund*innen ihn gefragt, ob er nicht endlich zum Entzug in die Klinik gehen wolle. Seit dreieinhalb Jahren ist Reichert nun trocken. Er ist in seiner Abstinenz stabil, weiß aber um das bleibende Rückfallrisiko: »Ich habe mehrere Anläufe und klinische Entgiftungen gebraucht.«

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