Berliner Ausbildungsmesse will Jugendliche und Jobs zusammenbringen
Von Jörg Meyer
»Wir haben Angebote in der Tasche, und darüber denken wir zu Hause in Ruhe nach«, sagen der junge Mann und die junge Frau. Sie kommen gerade von der diesjährigen Ausbildungsmesse der Jugendberufsagentur in Berlin-Moabit. Einzelhandelskaufmann und Industriekauffrau: »Danach haben wir gesucht«, sagen sie zu den favorisierten Ausbildungsplätzen. »Aber einen davon nehmt ihr, ja?«, fragt die blonde Frau, die die beiden auf dem Gang ins Gespräch verwickelt hat. »Ja, machen wir, und wer sind Sie?« Die Frau antwortet: »Ich bin Franziska Giffey, die Regierende Bürgermeisterin von Berlin.« – »Echt?« – »Ja, echt.«
Auf Einladung der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit besucht die SPD-Politikerin zusammen mit Direktionschefin Regina Schröder am Montag die Ausbildungsmesse. Stand Montag gibt es in Berlin nach Angaben der Regionaldirektion immerhin noch 7942 freie Ausbildungsplätze und 9356 Berliner Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. Ebenjene Jugendlichen, die jetzt mit der Schule fertig werden, will man mit der Messe ansprechen. Gut 1000 sind der Einladung dann auch gefolgt, einige von ihnen gehen mit einem Ausbildungsvertrag in der Tasche nach Hause.
Kurz bevor die Regierende Bürgermeisterin ihre Runde dreht und mit Vertreter*innen der knapp 50 Unternehmen und einigen Jugendlichen spricht, wirkt die Messe eher leer. »Das täuscht aber«, sagt Monika Fricke von der Jugendberufsagentur zu »nd«. Vormittags seien viele Schulklassen durch die Messe gegangen, da sei es voll gewesen. Erst in der Mittagszeit habe der Andrang nachgelassen.
In den zwölf Jugendberufsagenturen (JBA) in Berlin arbeiten Jobcenter, die Agentur für Arbeit, Berater*innen aus beruflichen Schulen und die Bezirksämter zusammen, beraten Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren und ihre Eltern mit dem Ziel, für die jungen Menschen nach der Schule einen passenden beruflichen Weg zu finden.
Monika Fricke erzählt, dass viele Lehrer*innen mit ihren Klassen zuerst die Berater*innen der JBA ansteuerten. Die suchen, in einem Bereich, ein wenig abseits der Unternehmensstände, mit den Jugendlichen das Gespräch und schicken sie nach einer ersten Berufsberatung zu einem der potenziellen Arbeitgeber. »Viele wissen, was sie wollen, einige müssen eine Alternative zu ihrem ursprünglichen Plan entwickeln«, sagt Fricke. Und einige wüssten noch gar nicht, was sie beruflich machen wollten.
Die JBA werben mit dem Slogan »Du wirst gebraucht« um die künftigen Auszubildenden. Am Stand der Deutschen Post, die im dualen Studium zum Logistiker und zum Industriekaufmann ausbildet, sagen die beiden Vertreter, es seien noch viele Ausbildungsplätze frei. An anderen Ständen ist das auch zu hören. Ein Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) sagt zu »nd«, dass es fast »erschreckend« sei, wie wenig die Jugendlichen über die Gewerkschaften wüssten, sie aber sehr offen für Informationen seien. »Darf ich in der Ausbildung überhaupt in eine Gewerkschaft eintreten?«, sei eine der wiederholten Fragen gewesen. Man darf.
Nach Angaben der Regionaldirektion waren Ende Mai 14 000 Ausbildungsstellen insgesamt gemeldet. Ende Mai 2020 waren es rund 12 000. »Die zahlreichen Ausbildungsstellen zeigen, wie vielfältig die Hauptstadt für Jugendliche ist«, sagt Ramona Schröder. Eine Ausbildung ist für sie der zentrale Weg, um den dringend benötigen Fachkräftenachwuchs zu sichern. Stimmen müsse auch das »Matching«, Bewerber*in und freie Stelle müssten gut zusammenpassen, betont Giffey. Das sei schwierig.
Das Motto der Messe war »Nicht ohne Ausbildung in die Ferien«. Das wird knapp, am Mittwoch werden in Berlin die Zeugnisse ausgegeben. Wer dann keinen Ausbildungsplatz für den Herbst hat, bekommt noch eine Chance. Derzeit werde eine »Last-Minute-Messe« vorbereitet, die nach den Sommerferien im ehemaligen Kino »Kosmos« in Friedrichshain über die Bühne gehen soll, erzählt Giffey.
Der Text erschien zuerst in nd-aktuell am 4. Juli 2022.