Die Bedingungen im Onlinehandel sind besser geworden, aber ver.di geht das zu langsam
Von Jörg Meyer
«Wir kommen gut voran», sagt Thomas Voß, im Bundesfachbereich Handel für den Onlinehandel zuständiger Sekretär bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Er bestätigte, dass es in absehbarer Zeit zu einer ersten Tarifauseinandersetzung am Zalando-Standort Brieselang kommen werde. In Erfurt gebe es «erfreuliche Entwicklungen». Lediglich im Zalando-Lager in Mönchengladbach habe ver.di bislang nur vereinzelt Mitglieder. Ebenso im baden-württembergischen Lahr, wo derzeit ein neues Lager aufgebaut wird.
Voß kennt sich gut aus mit den Problemen der Beschäftigten im Onlinehandel. Als Landesleiter von ver.di Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen hatte er bis vor zwei Jahren viel mit Amazon zu tun. «Die betrachten uns als Feinde.» So würden nach seinen Informationen bei Amazon in Leipzig «schwarze Listen» mit besonders aktiven Gewerkschaftsmitgliedern geführt, die besonders kontrolliert würden.
Bei Zalando ist das anders: Nach eigenen Angaben hatte das Unternehmen 2016 knapp 12 000 Beschäftigte. Sieben Prozent arbeiteten in Teilzeit, 67 Prozent hatte unbefristete Verträge. Mittlerweile gibt es an drei Standorten Betriebsräte und einen Gesamtbetriebsrat.
Im Geschäftsbericht 2016 schreibt das Unternehmen: «Auf unserem Weg vom Start-up zum etablierten Unternehmen haben wir viel Kritik erfahren, teilweise zu Recht.» Zalando machte vor einigen Jahren Schlagzeilen wegen der miesen Arbeitsbedingungen. Doch seitdem habe sich einiges geändert, sagt Thomas Voß. Es seien verbesserte Klimaanlagen eingebaut worden, auch die ergonomische Ausgestaltung der Arbeitsplätze sei besser als früher – «aber nicht überall im gleichen Maße und viel zu langsam».
Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) hatte vor einem Jahr nach einer Betriebsbesichtigung in Erfurt von Verbesserungen gesprochen, die der lokale Betriebsrat bestätigt habe. Diese Eindrücke bekräftigte er jetzt. «Seit meinem letzten Besuch ist eine Menge passiert, sagte er am Freitag gegenüber »nd«. Verglichen mit der ersten Zeit des Bestehens des Standortes Erfurt sei da »eine gute Linie drin«.
»Bei Zalando in Erfurt arbeiten mittlerweile Menschen aus 52 Nationen, es gibt Sprachkurse, sie kümmern sich um Diversity Management und Integration«, so Ramelow, der Zalando erst besucht hatte, nachdem dort ein Betriebsrat gewählt wurde. Er werde auch weiterhin Betriebe »deutlich aufzeigen«, die Betriebsratsgründungen verhindern.
Eine wichtige Neuerung in Brieselang, die Kreise ziehen könnte, ist die Vereinbarung zur Pausenregelung, die der Betriebsrat jüngst mit Hilfe der Einigungsstelle erstritten hat. Darin ist unter anderem geregelt, dass die Pause am Drehkreuz, also am Ausgang, beginnt und nicht am Arbeitsplatz. Weil die Wege in den riesigen Lagern der Onlinehändler weit sind, verlängert sich so die Pause: Das Essen im Laufen dürfte der Geschichte angehören.
Zalando selbst wirbt mit hohen Sozialstandards, guter Bezahlung orientiert an der Logistik, Elternschichten und ähnlichem. Die Worte »Tarifvertrag« oder »Gewerkschaft« finden sich in dem Bericht indes nicht. Auf die Frage, wie Zalando den zu erwartenden Tarifforderungen gegenübersteht, gab es »nd« gegenüber keine Antwort.
»Unser Ziel ist jetzt die tarifvertragliche Absicherung der Beschäftigten«, sagt dagegen Thomas Voß. Es habe in Erfurt Lohnerhöhungen gegeben, in Brieselang nicht, und im neuen Lager in Lahr werde ohnehin mehr gezahlt. Für ihn ist eine derartige »Bezahlung auf Zuruf« unverständlich und ungerecht.
Quelle: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1044516.bezahlung-auf-zuruf.html