Beschäftigte bei Deliveroo wollen Anstellungen – und ihren Betriebsrat zurück

Nach nur drei Monaten stehen die Beschäftigten des Essens-Lieferdienstes Deliveroo in Köln wieder ohne Betriebsrat da. Der Vorsitzende Orry Mittenmayer verlor letzte Woche seine Stelle. Arbeitsgerichtsverfahren für seine Wiedereinstellung und die der anderen Betriebsratsmitglieder laufen. Der DGB-Bundeskongress zeigte sich solidarisch.


Von Jörg Meyer

Gut ein Jahr ist es her, da haben die Beschäftigten des Essenslieferdienstes Foodora in Wien einen Betriebsrat gegründet. Wenig später folgte die Betriebsratswahl bei Foodora in Köln, dann begannen auch die Fahrerinnen und Fahrer der Kölner Niederlassung von Deliveroo, für einen Betriebsrat zu kämpfen. Im Februar war es so weit. Der Betriebsrat war gewählt und im Amt. Auf der Liste der Wahlberechtigten standen knapp 140 Menschen. Das scheint lange her zu sein, denn heute hat Deliveroo in Köln keine angestellten Fahrerinnen und Fahrer mehr. Der Betriebsratsvorsitzende Orry Mittenmayer verlor voriger Woche als letzter gewählter Vertreter seinen Job. Die Befristung lief aus, sein Arbeitsvertrag wurde nicht verlängert, der fünfköpfige Betriebsrat wurde aufgelöst.

Mittenmayer war mit seiner Kollegin Sarah Jochmann am Mittwoch auf dem DGB-Bundeskongress zu Gast, um für Solidarität zu werben. Mit Unterstützung der zuständigen Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) laufen derzeit Verfahren auf Entfristung seines Arbeitsvertrages. Ähnliche Verfahren laufen für die anderen Betriebsratsmitglieder.

Die Bemühungen, einen Betriebsrat zu gründen, entstanden wie so oft aus persönlicher Unzufriedenheit, Veränderungswillen und dem Aktivismus Einiger, die sich für die Sache eingesetzt haben. „Wir haben bei Deliveroo keinen Vorgesetzten“, erzählt Orry Mittenmayer. „Der Vorgesetzte ist der Algorithmus, der auf dein Handy zugreift. Zudem müssten die Fahrerinnen und Fahrer ihre Ausrüstung, die Fahrräder, Kleidung, etc. selber kaufen. Und im letzten Jahr seien die Löhne unregelmäßig gezahlt worden. „Deshalb wollten wir den Betriebsrat.“ Dass Verhalten ihres Arbeitgebers wollen die Beschäftigten so nicht stehen lassen.

„Deliveroo hat die Bemühungen der Kolleginnen und Kollegen, sich zu  organisieren knallhart ausgekontert“, sagte die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger am Mittwoch in Berlin.

Auf der Homepage des Unternehmens steht zu lesen: „Deliveroo ist stolz darauf, fair vergütete Jobs mit hoher Flexibilität anzubieten.“ Und weiter: „Wir sind das erste On-Demand-Unternehmen, dass sich gegen die aktuellen Abstriche im Arbeitsrecht zwischen Flexibilität und Sicherheit im Beruf einsetzt. Wir wollen eng mit den Regierungen in den jeweiligen Ländern zusammenarbeiten, um hier Lösungen zu finden.“

„Davon, dass sie dem Unternehmen wichtig sind, spüren die Fahrerinnen und Fahrer nichts“, sagt dagegen Rosenberger. Und ein „wirksamer Einsatz“ wäre es, „die Kurierfahrerinnen und -fahrer fest und unbefristet einzustellen und mit uns, der NGG, zu sprechen“. Denn: „Bundesregierungen schließen keine Tarifverträge ab, das machen wir, die Gewerkschaften.“

Sarah Jochmann, Orry Mittenmayer und MIchaela Rosenberger beim DGB-Bundeskongress in Berlin (vlnr.) Foto: jme

Eine Resolution, mit dem Deliveroo aufgefordert wird, die Praxis der sachgrundlosen Befristungen abzustellen und mit der NGG ins Gespräch über Tarifverträge zu kommen, verabschiedeten die knapp 400 Delegierten auf dem Kongress einstimmig.

Die Solidarität ist ihnen wichtig, sagt Sarah Jochman. Bis vor vier Wochen war sie Fahrerin bei Deliveroo in Köln, doch auch ihr befristeter Arbeitsvertrag wurde nicht verlängert. Zusammen mit Mittenmayer und ihrem Kollegen Keno Böhme hat sie Anfang des Jahres die Onlinekampagne „Liefern am Limit“ ins Leben gerufen. Die Kampagne versteht sich als Kontakt- und Vernetzungsangebot für die Beschäftigten der drei Lieferdienste Foodora, Deliveroo und Lieferando. „Wir vermitteln zwischen den Belegschaften und der NGG, suchen den Kontakt zur Politik und entwickeln mit den Fahrerinnen und Fahrern Konzepte und Strategien, um die Bedingungen in der Branche zu verbessern“, erzählt Jochmann. Die Arbeit ist wichtig und wird von den Beschäftigten angenommen. Immer mehr sind unzufrieden und wollen dafür kämpfen, dass sie sichere und gute Jobs haben. Einfach ist das nicht. „Bei den Lieferdiensten arbeiten viele Studierende oder die Menschen machen das eine Zeit und hören dann wieder auf.“ Viele seien auf den Job angewiesen, doch die Fluktuation ist hoch, was Organisierungsbemühungen erschwert.

Ihre Forderungen sind klar und entsprechen dem, was der DGB-Bundeskongress einstimmig als Resolution verabschiedete: Entfristung der Arbeitsverträge, Ein Stopp der Umwandlung von Arbeitsverträgen in Solo-Selbstständigkeit sowie die Entfristung von Betriebsratsmitgliedern für die laufende Amtsperiode. „Deliveroo fährt an allen Standorten die Strategie, auf Selbstständigkeit umzustellen und Arbeitsverträge auslaufen zu lassen.“ Das begann kurz nach der Betriebsratsgründung in Köln, so Jochmann.

Die Unzufriedenheit mit ihrem Arbeitgeber ist groß, doch zum Boykott von Deliveroo rufen die Kampagne und die Gewerkschaft explizit nicht auf. „Das ist ähnlich wie beim Arbeitskampf, den ver.di bei Amazon führt. Es kann nicht darum gehen, diese Unternehmen zu boykottieren“, sagt Michaela Rosenberger, „denn dann würden die Menschen ihre Jobs verlieren.“