Sandra Goldschmidt ist seit drei Jahren stellevertretende ver.di-Landesbezirksleiterin in Hamburg. Anlässlich des Internationalen Tages gegen Homophobie sprach ich mit ihr am Rande des DGB-Bundeskongresses in Berlin.
Jörg Meyer: Der Bundeskongress hat den Antrag von ver.di auf Gründung eines LGBTI-Arbeitskreises auf Bundesebene nicht angenommen, sondern als „Material an den Vorstand“ beschlossen. Das heißt, es passiert erst einmal nichts, oder? Wie enttäuscht sind sie darüber?
Sandra Goldschmidt: Sicherlich hätte ich mir die echte Annahme gewünscht, aber meine Enttäuschung hält sich in Grenzen. Nach der spannenden Diskussion heute auf dem Kongress denke ich, dass der DGB-Bundesvorstand nicht daran vorbei kommt, den Arbeitskreis einzusetzen.
Warum ist so ein Arbeitskreis LGBTI überhaupt wichtig in der Gewerkschaft?
Wenn wir davon ausgehen, dass wir allein rund zehn Prozent schwule und lesbische Menschen in der Gesellschaft haben, dann haben wir diesen Anteil auch in unserer Mitgliedschaft. Und da sind bi-, trans- und untersexuelle Menschen noch nicht mitgerechnet. Wir dürfen diese Menschen nicht außen vor lassen, sondern wir müssen sie einbeziehen. Es gibt die Diskriminierung von schwulen, lesbischen, trans- und intersexuellen Menschen ja nicht nur gesellschaftlich, sondern auch auf betrieblicher Ebene. Auf dem Auge sind wir als Gewerkschaften manchmal noch blind.
Bei ver.di-Hamburg gibt es den Arbeitskreis schon länger. Was ist seine Aufgabe?
Das stimmt. Es gibt sogar einen Bundesarbeitskreis Regenbogen LSBTI (Lesben, Schwule, Trans* und Inter*). Unseren örtlichen Arbeitskreis gibt es schon seit 33 Jahren. Er wurde als “Kollegeninitiative Homosexualität” in der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr 1985 ins Leben gerufen und 1987 auf Bezirksebene verankert. Mit ver.di-Gründung 2001 bestand auch der Arbeitskreis weiter – zunächst als “Arbeitskreis Lesben und Schwule in ver,di Hamburg”. Nach einigen Umbennungen heißt der Arbeitskreis heute “ver.di – Regenbogen Arbeitskreis Hamburg. Lesben, Schwule, bi-, trans- und intersexuelle Menschen”. Wir treffen uns monatlich. Die Kolleginnen und Kollegen berichten über ihre Erfahrungen in den Betrieben und tauschen sich darüber aus. Wir überlegen dann gemeinsam, wie wir die Themen in die Fachbereiche einbringen können und wie wir unsere Personal- und Betriebsräte für geschlechterspezifische Diskriminierung in diesem Bereich sensibilisieren können, denen das Problem noch nicht so bekannt ist. Außerdem verstehen wir uns als Bindeglied zur LGBTIQ-Bewegung.
Wird die Arbeit angenommen?
Ja. Dadurch, dass unsere Kolleg_innen schon so lange aktiv sind, nehmen die betrieblichen Funktionär_nnen das auch ernst. Es geht schließlich um reale Probleme und reale Diskriminierungserfahrungen. Letztlich geht es ja auch darum, dass wir durch die Weiterentwicklung unserer eigenen Positionen und durch das einbeziehen neuer Gruppen unsere Mitgliederbasis erweitern und damit als Gewerkschaftsbewegung stärker werden können.
Was sind denn Aufgaben eines DGB-Arbeitskreises auf Bundesebene? Es können sich nicht hunderte Menschen aus dutzenden Branchen über ihre Diskriminierungserfahrungen austauschen.
Es ist die Aufgabe des DGB, die Erfahrungen aus den verschiedenen Branchen und damit aus allen Einzelgewerkschaften in so einem Arbeitskreis zusammenzufassen, damit wir einen Gesamtüberblick bekommen. Damit können wir dann als Gewerkschaftsbewegung Forderungen aufstellen und Vorschläge einbringen. Das ist die zweite Aufgabe des DGB, als politische Lobbyorganisation die Themen in Form von beispielsweise Gesetzestexten in die Politik einzubringen. Und drittens ist der DGB in der internationalen Gewerkschaftsbewegung eingebunden. Derzeit sitzen wir in Foren und Veranstaltungen bei internationalen Tagungen zum Thema nur als ver.di. Mir wäre es selbstverständlich lieber, das würde unser Dachverband machen.