Jörg Meyer über das keineswegs drohende Ende des Flächentarifvertrages
Es gibt eine Kiste mit Phrasen, aus der sich Arbeitgeberfunktionäre gerne bedienen. Dazu gehört die Befürchtung, dass Unternehmen wegen zu hoher Gewerkschaftsforderungen aus dem Arbeitgeberverband austreten könnten. Ähnlich Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger, der gar mit dem Ende des Flächentarifvertrages droht.
Das klingt schlimm. Dieser Tarifvertrag gilt schließlich für 1,9 Millionen Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie. Und trotzdem ist dieses Ende wenig realistisch. Warum? Es würde mehr »Häuserkämpfe« in einzelnen tariflosen Unternehmen nach sich ziehen. Für die Arbeitgeber heißt das ständige Auseinandersetzungen und drohende Streiks, kurzum: Planungsunsicherheit. Zudem drohen ohne den Flächentarifvertrag große Einkommensunterschiede in der Branche, was zu noch größerer Konkurrenz um Arbeitskräfte führen könnte. Nichts davon dürfte für Unternehmer derzeit wünschenswert sein.
Die Drohung »Ende der Fläche« gehört wieder in die Kiste, zusammen mit der Forderung, das Streikrecht zu schleifen, wenn die IG Metall mal etwas erreicht hat. Statt gegen die Gewerkschaft eine Phrase ins Sommerloch zu feuern, sollten die Arbeitgeber überlegen, wie sie ihren eigenen Laden in Ordnung bringen, und Anreize schaffen, die Mitglieder zu halten.
Zuerst veröffentlicht in “neues deutschland” am 23. Juli 2019.