Dienst nach Vorschrift

Die Tarifrunde 2017 für den öffentlichen Dienst der Länder ist fast gelaufen. Für 800 000 Tarifbeschäftigte gilt das Ergebnis. Die Gewerkschaften fordern noch die inhaltsgleiche Übertragung auf die Beamtinnen und Beamten im Landesdienst sowie auf die Pensionäre und Pensionärinnen. Doch welche Zeichen setzt der Abschluss und für wen? Eine Einschätzung.

Gemessen an der Höhe der Forderungen, sieht der erzielte Abschluss auf den ersten Blick gar nicht schlecht aus: Sechs Prozent gefordert, 4,35 Prozent bekommen; 90 Euro mehr für Auszubildende gefordert, 70 Euro sind es geworden. Was heraussticht ist die verabredete Einführung einer Stufe 6 in den Entgeltgruppen 9 bis 15 – und damit in allen Entgeltgruppen. Bei genauerer Draufsicht relativiert sich der Eindruck ein wenig. Die Entgelterhöhung erfolgt in zwei Stufen, rückwirkend zum 1. Januar sind es zwei Prozent für 2017. Bei einer Inflationsrate von 1,9 Prozent ist das keine üppige Reallohnsteigerung.

Wieder nicht gelungen ist es den Gewerkschaften, der Dienstherren Herz in Sachen sachgrundlose Befristungen zu erweichen. Die Zahl ist und bleibt hoch, in den Ländern sind 12,3 Prozent der Beschäftigten befristet eingestellt, sagte dbb Verhandlungsführer Willi Russ zu Jahresbeginn der Zeitung „Die Welt“. Und die Jüngeren betrifft es häufiger als die Älteren. Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit ist der überwiegende Befristungsgrund mit knapp 40 Prozent der „befristete Ersatzbedarf“, also die Vertretung etwa bei Schwangerschaft oder Krankheit. An zweiter Stelle mit rund 20 Prozent steht die befristete Finanzierung von Stellen. Als würde die zu erledigende Arbeit nach Fristablauf nicht mehr anfallen.
Besonders für junge Beschäftigte, die nach ihrer Ausbildung ins Berufsleben einsteigen wollen, bedeutet diese grassierende Praxis besonders für sie Unsicherheit, wenn der Berufseinstieg mit dem Umzug in eine andere Stadt verbunden ist, wenn irgendwann die Familienplanung oder auch nur eine verlässliche Planung des eigenen Lebens vorgenommen werden soll. Deshalb ist und bleibt die wiederkehrende Forderung, dass den sachgrundlosen Befristungen ein Ende gemacht werden muss, das kann der Gesetzgeber tun, aber das geht auch per Tarifvertrag.
Ob mit dem Tarifabschluss der öffentliche Dienst der Länder für junge Erwachsene ein attraktiverer Arbeitgeber wird, ist fraglich. Dass das so werden muss, ist aber dringend nötig. Seit Jahren warnt der dbb vor den Auswirkungen der anstehenden hohen Zahl von Verrentungen. Über ein Viertel der Beschäftigten sei mittlerweile über 55 Jahre alt, sagte etwa der dbb Chef Klaus Dauderstädt kurz nach dem Tarifabschluss und begründete damit seine Forderung nach Aufstockung des Personals. Es fehlten „nicht nur 10 000 Polizisten und 20 000 Lehrer“. Noch deutet sich nicht an, dass die Jugend Schlange steht, um in den beiden Bereichen ihre berufliche Zukunft zu nden. Zudem sind es eben auch die Stellen, die in den Haushaltsplänen nur befristet finanziert sind oder ganz fehlen. Deshalb erscheint die Privatwirtschaft oder auch der öffentliche Dienst in Bund und Kommunen der attraktivere Arbeitgeber zu sein. Vielleicht sollten die politisch Verantwortlichen sich an einen Tisch setzen und überprüfen, ob es nicht eine gute Idee wäre, die Lohnschere zwischen den Sektoren endlich zu schließen.
Für Lehrkräfte hat sich mit der Einführung der neuen Erfahrungsstufe tatsächlich etwas verändert. Pro tieren tun davon besonders die dienstälteren Kolleginnen und Kollegen. Sicher, man hätte die Stufe 6 auch früher einführen können, nicht erst im nächsten Jahr. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder hat in diesem Jahr angesichts anhaltend hoher Steuereinnahmen so wenig gute Argumente gegen einen satten Abschluss wie lange nicht.
Nun kommt der Einstieg in die Stufe 6 im nächsten Jahr und wird damit vermutlich deutlich billiger, weil bis dahin wieder viele Lehrkräfte ihren Weg in den Ruhestand angetreten haben. Für diejenigen, die noch da sind, bedeutet die Stufe 6 eine Wertschätzung ihrer Arbeit – nach Jahren des Verzichts und der Einbußen.
Zusammengefasst war es eine eher ereignislose Tarifrunde mit wenig überraschendem, aus Kommentatorensicht zu niedrigem Ergebnis. Die in mehreren Bundesländern laufenden Warnstreiks und Aktionen waren zwar wahrnehmbar, glichen aber eher Dienst nach Vorschrift denn einer kämpferischen Tarifbewegung. Die Gespräche wurden im Nachhinein als von Beginn an sehr konstruktiv bewertet. An einer Eskalation hatte niemand Interesse, aber zu routiniert sollten Tarifverhandlungen auch nicht sein.

Jörg Meyer

Erschienen im dbb magazin 3/17, Seite 10