Infinera-Beschäftigte wollen um ihre Jobs kämpfen / Verlagerung nach Thailand wird als problematisch bewertet
Von Jörg Meyer
»Am Anfang waren die 400 Beschäftigten fassungslos«, sagt Regina Katerndahl, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Berlin. »Sie arbeiten in einem für die Zukunft wichtigen Hochtechnologiebereich und bekommen zu hören: Wir brauchen euch nicht mehr.« Und das in einem Unternehmen, das wirtschaftlich arbeite, ergänzt der Infinera-Betriebsratsvorsitzende Jörg Wichert.
Die Leitung des Spandauer Werks hatte am 8. Januar bei einer Betriebsversammlung mitgeteilt, dass das Werk zum 30. September geschlossen werden soll. Die Arbeitsplätze sollen nach Thailand verlagert werden. »Die haben uns kalt erwischt«, so Wichert. Diese Entscheidung sei »unabweisbar und alternativlos«, habe es geheißen. Das US-Unternehmen rückt damit weltweit auf Platz zwei der Hersteller für optische Netzwerklösungen auf. Erst im Oktober hatte Infinera das Werk von Coriant übernommen. Vor mehreren Verkäufen in den letzten Jahren war der Standort Teil der Netzwerk-Sparte von Siemens.
Aus der Fassungslosigkeit ist schnell die Bereitschaft zu kämpfen geworden. Das wollen die Beschäftigten am Freitag um 8 Uhr unter Beweis stellen. Parallel zum Beginn der Verhandlungen über einen Interessenausgleich zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung wollen sie vor dem Werktor demonstrieren. »Der Vorstellung des Arbeitgebers, dass die Beschäftigen am 30. September den Betrieb besenrein übergeben sollen, steht ein bislang inakzeptables Angebot gegenüber«, so Katerndahl am Mittwoch im Berliner IG Metall-Haus. Die Masche der Arbeitgeber kennt die Gewerkschafterin aus ihrer langen Erfahrung: »Die Drohung an die Kolleginnen und Kollegen ist: Entweder ihr stimmt schnell zu oder wir haben wir gar nichts mehr für euch.«
»Für die Beschäftigten ist jede Unterstützung wichtig. Sie kämpfen um ihre Arbeitsplätze und müssen sehen, dass sie damit nicht alleine stehen«, sagt Katerndahl. »Unsere Frage ist, wie wir Industriearbeitsplätze in Berlin halten und entwickeln können.« Siemens habe in den letzten Jahren immer weiter ausgegliedert und abgebaut. Harte Auseinandersetzungen um Standortschließungen endeten 2018 beispielsweise mit dem Erhalt der Werke in Leipzig und Görlitz.
»Wirtschaftlich ist die Schließungsandrohung nicht nachvollziehbar«, sagt die Berliner IG Metall-Chefin Birgit Dietze. »Infinera hat mit Coriant einen annähernd gleich großen Konkurrenten übernommen, um seine Marktanteile auszubauen.« Der Wirtschaftsstandort Deutschland suche global seinen Platz zwischen den USA und China, »und dann lässt man zu, dass derartige Technologien so erworben und verlagert werden können«. Aus der drohenden Verlagerung könnten auch Sicherheitsprobleme entstehen. Zu den Unternehmenskunden zählen neben großen Internetanbietern auch die Bundeswehr und Behörden. »Wir haben hier Jahrzehnte an Erfahrung. Wir reparieren noch Baugruppen aus einer Zeit, als die Mauer noch zu war«, sagt Wichert. Wenn das Werk nach Thailand abwandert, ist zum einen die Technologie unwiederbringlich weg. »Und wer erfüllt dann die langjährigen Service-Verträge?«, fragt Katerndahl. »Das Knowhow in sicherheitsrelevanten Bereichen kann ja nicht einfach ins Ausland verlagert werden.«
»Die Bundesregierung ist aufgefordert, zu intervenieren und sich auch als Großkundin deutlich gegen die Auslagerung der Fertigung zu positionieren«, sagt Pascal Meiser, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. Besonders, da es offensichtlich auch um sicherheitsrelevante Netzinfrastruktur gehe. Die Bundesregierung hätte eine solche Übernahme durch ein ausländisches Unternehmen nach geltendem Recht eigentlich prüfen müssen und gegebenenfalls auch untersagen können, so Meiser weiter. »Wir fragen derzeit ab, ob diese Prüfung erfolgt ist und falls ja, mit welchem Ergebnis.«
Konkret stellen die Beschäftigten in Spandau die Hard- und Software für weltweite Netzwerke her: Wenn man sich die vielzitierte »Datenautobahn« als tatsächliche Autobahn vorstellt, »dann bauen wir unter anderem die Auffahrten und Abfahrte
Zuerst erschienen in “neues deutschland” am 31. Januar 2019
Eine Online-Petition zum Erhalt des Werkes gibt es hier.