Inhaber von Wombat’s-Kette will Betriebsrätin wegen Warnstreikbeteiligung kündigen
Von Jörg Meyer
Zwei Warnstreiktage haben sie schon hinter sich, die meisten machen das erste Mal Erfahrungen mit dem Arbeitskampf. Sie, das sind die in der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) organisierten Beschäftigten im Wombat’s City Hostel in Mitte. Rund 50 Menschen arbeiten in dem hippen Bettenhaus, das eine günstige Mischung aus Jugendherberge und Hostel darstellt und speziell auf ein junges, rucksacktragendes Publikum abzielt.
Nach dem zweiten Warnstreik am Freitag voriger Woche kündigte der Arbeitgeber zwei Frauen die fristlose Kündigung an, eine davon ist die Betriebsratsvorsitzende. Zur Begründung habe es geheißen, der Streik sei nicht rechtens, und somit hätten die Beschäftigten sich unrechtmäßig von ihrem Arbeitsplatz entfernt. Damit hätten die beiden mit ihrer Streikteilnahme überdies in Kauf genommen, dass in einem Notfall niemand verfügbar gewesen wäre – es ist indes ein Problem des Arbeitgebers, bei Streik für Ersatz zu sorgen, nicht das seiner Beschäftigten.
»Kurz vor Weihnachten der Kollegin auch noch außerordentlich zu kündigen, geht gar nicht. Ihr droht damit eine dreimonatige Sperre beim Arbeitsamt«, sagt Raphael K.. Er ist eines von drei Betriebsratsmitgliedern im Wombat’s Berlin. »Der Streik war legal. Wir fordern seit August die Aufnahme von Tarifverhandlungen, und es tut sich nichts. Darum hat die NGG zweimal zum Warnstreik aufgerufen.« K. arbeitet seit bald zehn Jahren in dem Hostel. Vor zweieinhalb Jahren wählten ihn die KollegInnen in den Betriebsrat. »Das ist das erste Gremium, das wir hier gegründet haben«, erzählt K., »und es gab von Anfang an harten Gegenwind«. In einem offenen Brief, der »nd« vorliegt, schrieben die Gründer von Wombat’s, die Österreicher Alexander Dimitriewicz und Marcus Praschinger, dass die Gründung eines Betriebsrates für sie einem Vertrauensentzug gleichkomme und dass sich überdies dadurch nichts verbessern werde. Vielmehr wollten sich einige KollegInnen hinter dem verbesserten Kündigungsschutz »verkriechen«, der für Betriebsräte gilt. Der Brief hatte nicht den gewünschten Effekt, die Wahl fand statt. Offenbar war der Ärger in der Belegschaft so groß, dass sie die Vertretung wollten.
Das Wombat’s glänzt durch flache Hierarchien, alle sind per Du, die Homepage verspricht das familiäre Traveller-Erlebnis im hip designten Haus. Doch die Arbeitsbedingungen wollen partout nicht zum hippen Wohlfühlimage passen. »Es waren vor allem die ungerechte Behandlung und die Politik nach Nase, die den Beschäftigten gestunken hat«, erzählt NGG-Gewerkschaftssekretär Sebastian Riesner.
Der Arbeitgeber zieht aktuell alle Register im Klassenkampf: Beschäftigte, die sich am ersten Warnstreik beteiligt hatten, bekamen Abmahnungen und die Drohung, dass sie rausfliegen, wenn sie noch einmal streiken. Gewerkschaftsmann Riesner bekam Hausverbot »bis auf weiteres« und »unbefristet«, sagt er gegenüber »nd«. Das Hausverbot hätte der Arbeitgeber am Dienstag eine halbe Stunde vor einer angesetzten Betriebsversammlung ausgesprochen. »Er kennt keine Grenze mehr und hat anscheinend kein Interesse an einer Deeskalation«, sagt Riesner.
Die Beschäftigten versammelten sich schließlich in einem Café in der Nähe. »Die Entrüstung war groß, über das Hausverbot und erst recht über die Kündigungen«, sagt Betriebsrat Raphael K.. »Aber einschüchtern lassen wir uns nicht. Wir wollen den Tarifvertrag.«
Warum? Das wird schnell deutlich: »Die meisten hier verdienen 9,11 Euro die Stunde, ein bisschen mehr als den gesetzlichen Mindestlohn. Überstundenzuschläge gibt es nicht, Wombat’s zahlt kein Weihnachtsgeld und kein Urlaubsgeld«, erklärt K.. »Das wollen wir regeln und verbessern.«
Mit ihrem Verhalten machen sich die Unternehmer angreifbar. Sie leben vom Weitersagen und einem guten Image in den sozialen Medien. Es kann nicht in ihrem Interesse liegen, dass ihr Ruf Kratzer bekommt.
Wombat’s-Mitinhaber Alexander Dimitriewicz teilte auf nd-Anfrage mit, das Unternehmen nehme zu den derzeitigen Vorgängen keine Stellung.
Der Fall Wombat’s ist ein drastisches Beispiel für Union Busting, das systematische Vorgehen gegen Gewerkschaften und Betriebsräte. Und er ist ein Beispiel für die Situation in der Hotel- und Gastrobranche in der Hauptstadt. Wachstum ohne Ende, derzeit gibt es in Berlin rund 800 Hotels und über 10 000 Gaststätten. Weniger als zehn Prozent davon seien in der Tarifbindung, sagt Gewerkschaftssekretär Riesner. »Die Branche ist traditionell extrem gewerkschafts- und betriebsratsfeindlich.« Dazu kommt, dass die Belegschaften selbst selten Forderungen aufstellen. »Die suchen sich dann eher einen anderen Job, weil sie keine Verbundenheit mit dem Arbeitgeber haben. Deshalb setzen die sich auch selten ein.« Wer gewerkschaftliche Unterstützung wolle, müsse sich selbst darum bemühen. Die Beschäftigten des Wombat’s seien auf Riesner zugekommen. »Von außen kommst du da nur schwer rein.«
Veröffentlicht in “neues deutschland” am 15. Dezember 2017.
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