Von Müller angemeiert

Jörg Meyer über die Werksschließungen beim Feinkosthersteller Homann

Was die Unternehmensgruppe Theo Müller mit den Schließungen von vier Werken seiner Feinkosttochter Homann vorhat, entspricht kapitalistischer Logik: Man zieht dorthin, wo die Lohnkosten niedriger und die potenziellen Subventionen hoch ausfallen.
Die Profite und Dividenden müssen stimmen. Und was bietet sich in der Republik besser an als Sachsen – ein Bundesland mit niedriger Tarifbindung und einer Landesregierung, die seit zwei Jahrzehnten als besonders unternehmerfreundlich hervorsticht?
Umso wichtiger ist es, einmal mehr zu betonen: Die subventionierte Standortverlagerung ist nicht nur Jobvernichtung mit staatlicher Förderung. Sie ist auch und vor allem Tarifflucht. Für die Gewerkschaft bedeutet die Neuansiedlung im sächsischen Leppersdorf den Verlust tarifgebundener Betriebe im Westen und, wenn die Beschäftigten keinen neuen Job finden, auch den Verlust von Beiträgen. Beides ist eine Schwächung gewerkschaftlicher Durchsetzungsmacht.
Neben der nötigen Stärkung der Mitbestimmung gehört auch etwas anderes in den Blick: Zu oft lassen sich die Standorte von Kapitalseite gegeneinander ausspielen. Einerseits ist das verständlich: Jeder lokale Gewerkschaftsfunktionär und Betriebsrat sorgt sich um seine Schäfchen und guckt darauf, dass es den Leuten vor Ort gut geht, denn das sind seine zahlenden Mitglieder. Da ist das Hemd näher als die Hose. Dass im Sinne (k)einer gewerkschaftlichen Gesamtstrategie die Standortkonkurrenz letztlich zur Schwächung der Gewerkschaften insgesamt führt, gerät dabei aus dem Blick.

Quelle: “neues deutschland” 14. Juli 2017, Seite 10
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1057289