»Es ist eher verwunderlich, dass es so lange gut gegangen ist«

Der Gewerkschafter Freddy Adjan sagt, die deutsche Fleischindustrie sei von Grund auf krank. Er fordert ein Ende prekärer Arbeitsverträge in Schlachthöfen und Mindeststandards für Arbeiterunterkünfte Jörg Meyer sprach mit ihm über die Zustände in deutschen Schlachthöfen.

Von Jörg Meyer

Seit den Corona-Ausbrüchen in mehreren Schlachtbetrieben werden die Arbeits- und Wohnbedingungen der Beschäftigten wie auch Werkverträge als eine extrem prekäre Form der Beschäftigung erneut scharf kritisiert. Sie dürften wenig überrascht sein, dass sich dort die Infektionen häufen.

Ich stelle mir Schlafsäle mit Stockbetten vor.

Das ist so. Häufig werden Sammelunterkünfte angemietet, alte Kasernen oder leerstehende Wohn- und Bürogebäude. Die Subunternehmen, die beispielsweise den Auftrag über 10 000 Schweinehälften haben und dafür Arbeitskräfte nach Deutschland holen, treten dann auch als Vermieter auf. Oder die Gebäude werden von wieder anderen Subunternehmen angemietet und an die Beschäftigten weitervermietet – zu horrenden Preisen. Ich habe von Fällen gehört, in denen die Menschen sich in Schichten eine Matratze teilen und dafür 200 Euro im Monat bezahlen müssen. Die Kette von Subunternehmen und Fremdfirmen ist aus unserer Sicht eines der Grundübel in der Branche. Hier muss die Politik dringend tätig werden.

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Trocken bleiben in der Krise

COVID-19-Pandemie: Wie sich die eingeschränkten Therapiemöglichkeiten auf Alkoholiker*innen in Berlin auswirken

Von Jörg Meyer

Stefan Reichert* ist Alkoholiker. 30 Jahre hat er getrunken, verschiedene Phasen der Krankheit durchlebt. »Mal hast du die Sucht im Griff, mal überhaupt nicht. Das waren die Abstürze«, erzählt er. Dann hätten Freund*innen ihn gefragt, ob er nicht endlich zum Entzug in die Klinik gehen wolle. Seit dreieinhalb Jahren ist Reichert nun trocken. Er ist in seiner Abstinenz stabil, weiß aber um das bleibende Rückfallrisiko: »Ich habe mehrere Anläufe und klinische Entgiftungen gebraucht.«

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Rider aus Leidenschaft

Ein Kurierfahrer siegt über Deliveroo und gründet nun sein eigenes Lieferkollektiv.

Von Jörg Meyer

Ein Freund hatte Christophe Chatrenet irgendwann im Sommer vor fünf Jahren von der neuen Arbeit erzählt: Der Essenslieferdienst Deliveroo war frisch auf dem französischen Markt und suchte in Paris händeringend Fahrer*innen, auch »Rider« genannt. Das klang für Chatrenet nach einer guten Art, seinen Lebensunterhalt zu verdienen: Rad fahren, gutes Geld, flexible Arbeitszeiten. Er stellte sich bei Deliveroo vor und begann kurz darauf, für das junge Unternehmen per Fahrrad Essen auszuliefern. Um Steuern, Miete und Lebenshaltungskosten in Paris zu bezahlen, hat das Einkommen auf Dauer nicht gereicht. Dazu kam der Wunsch nach einem Tapetenwechsel. Chatrenet suchte sich eine Wohnung in Berlin, bekam aus Paris ein Empfehlungsschreiben und zog nach Deutschland. Bei Deliveroo erwartete man ihn schon, und er konnte mit der gewohnten Arbeit am neuen Ort beginnen. Eine gute Art, die Stadt kennenzulernen.

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Kuriere an der Corona-Front

Die Corona-Pandemie wirkt sich auf die Arbeit der Kurierdienste in der Hauptstadt unterschiedlich aus. »Das Bestell- und Lieferaufkommen ist auf einem gleichbleibend hohen Niveau«, sagte »Lieferando«-Sprecher Andreas Engel dem »nd«. Bei »Fahrwerk« ist das anders. Die typischen Aufträge etwa im Catering, der Transport von Printmedien oder zwischen Zahnlaboren und Zahnarztpraxen sei stark rückläufig, teilte der Kollektivbetrieb aus Friedrichshain auf nd-Anfrage mit. Dafür hätten

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Das System Gastronomie

Die Beschäftigten in der Systemgastronomie kämpfen um bessere Bezahlung. Denn zumindest in Berlin ist es nicht die Ausnahme, dass Vollzeitkräfte noch aufstocken müssen. Der Arbeitgeberverband in der Systemgastronomie hebt dagegen hervor, man habe doch in den letzten Jahren viele Jobs geschaffen und besonders Geflüchtete eingestellt. Die aktuelle Forderung der Gewerkschaft NGG nach 12 Euro sei deshalb wirtschaftlich nicht abbildbar. Das Festhalten an Armutslöhnen damit zu begründen, dass man mehr Niedriglohnjobs geschaffen hat, zeugt von Verachtung gegenüber den Belegschaften, findet Jörg Meyer.

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Sie lieben es nicht

Berliner Beschäftigte von McDonald’s und Starbucks streiken für zwölf Euro Stundenlohn

Von Jörg Meyer

Seit Wochen legen die Beschäftigten der Systemgastronomie immer wieder die Arbeit nieder, wie hier am 10. Februar in Haldensleben. Foto: NGG

Der Blick durch die Fenster der normalerweise gut besuchten McDonald’s-Filiale am Checkpoint Charlie lässt keinerlei Bewegung im Inneren erkennen. Am Montagmorgen ist der Laden dicht, kein Burger-Rohling wandert auf den Grill, kein Kaffeebecher wird gefüllt. Die Frühschicht ist seit zehn Uhr im Warnstreik, der zweite in dieser Tarifrunde.

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Der Herrenwitz ist nicht mehr en vogue

Monika Brandl, Vorsitzende des ver.di-Gewerkschaftsrates, spricht über sexistische Klischees, Gleichstellungspolitik und erzwungene Teilzeit

Von Jörg Meyer

Als die Frauenquote für Dax-Unternehmen Anfang des Jahres eingeführt wurde, wurde sie scharf kritisiert, weil sie unter anderem eine zu geringe Reichweite hat. Was hat sich im Telekom-Aufsichtsrat geändert?
Auf der Arbeitnehmerbank sind wir schon lange fünf Frauen und fünf Männer. Auf der Anteilseignerseite hatten wir lange Zeit keine Frau, mittlerweile sind es drei, was ich sehr gut finde.

Eine andere Kritik ist: Dass Frauen angeblich für eine angenehmere Stimmung sorgen, sei auch wieder nur ein sexistisches Klischee?

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Letzter Akt im Hostel-Streit

Am Samstag schließt das »wombat’s« in Berlin-Mitte – die Beschäftigen wollen dagegen demonstrieren

Von Jörg Meyer

Nun senkt sich der Vorhang. Nach viereinhalb Jahren Kampf des Betriebsrats und der Gewerkschaft gegen hartleibige Eigentümer schließt das wombat’s City Hostel in Mitte am 31. August seine Türen. Endgültig, möchte man sagen, doch vermutlich nur so lange, bis an gleicher Stelle ein neues Hostel von den gleichen Betreibern wieder eröffnet wird.

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Staat überfordert, Gesellschaft verroht

Vertrauen in den öffentlichen Dienst nach aktueller Forsa-Umfrage gesunken

Von Jörg Meyer

Feuerwehrleute bleiben mit Abstand die beliebteste Berufsgruppe. Doch damit scheint es mit der Stabilität in den Ergebnissen der aktuellen Bürgerbefragung zum öffentlichen Dienst auch schon vorbei. Laut der repräsentativen Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des deutschen Beamtenbundes (dbb) erstellt hat, denken 61 Prozent der Bürger*innen in Deutschland, der Staat sei mit der Erfüllung seiner Aufgaben überfordert. Der dbb-Vorsitzende Ulrich Silberbach und der forsa-Geschäftsführer Manfred Güllner stellten die Ergebnisse am Dienstag in Berlin vor.

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