Ein Hostel stirbt zur Hauptsaison

Gegen die angedrohte Schließung des wombat’s City Hostel in Mitte Ende August 2019 protestierten am Freitag in Berlins Mitte rund 150 Beschäftigte und Unterstützer*innen. Drinnen verhandelte der Betriebsrat mit den Chefs.

Von Jörg Meyer

„Im Be-trieb nicht im Saal, schla-gen wir das Ka-pi-tal!“ Rhythmisch gerufen von gut 150 Menschen wird die gewerkschaftliche Binsenweisheit zur kämpferischen Parole. Das der Inhalt auch stimmt, hat die Belegschaft des wombat’s City Hostel in den letzten drei Jahren gezeigt.

Die besagten 150 standen am Freitagnachmittag vorm Hostel in Berlins Mitte. Denn die Geschäftsführung will die Billigbettenbude zum 31. August schließen. Den noch 35 angestellten Beschäftigten droht Jobverlust.

Es war nicht die erste Kundgebung vorm Hostel in Berlins Mitte. Foto: jme

Unterdessen verhandelten oben im Hostel Management und Betriebsrat über Interessenausgleich und Sozialplan; also über die konkrete Ausgestaltung der Schließungspläne sowie den Umfang von Entschädigungen für betroffene Beschäftigte. Die Verhandlungen blieben am Freitag dem Vernehmen nach ergebnislos.

Schließung und Kundgebung sind ein weiteres Kapitel in der jüngeren Geschichte des Hostels. Die Belegschaft wählte 2017 erstmals einen Betriebsrat in der wombat’s-Kette. Die Arbeitgeber bekämpfen das Gremium seitdem. Die Beschäftigten gingen einen Schritt weiter, warben Mitglieder für ihre Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), bauten Strukturen auf und forderten schließlich die Aufnahme von Tarifverhandlungen. Letztlich erkämpften sie mit mehreren Warnstreiks und öffentlicher Unterstützung Anfang 2018 einen Tarifvertrag, den ersten überhaupt in einem Hostel in der Bundesrepublik. Anfang April dieses Jahres wurden dann neun Reingungskräfte in ein eigenes Unternehmen ausgegliedert. Damit ist der Betriebsrat für sie nicht mehr zuständig. Für viele war das die Rache der Chefs für den Tarifvertrag.

Zurück in die Gegenwart: Gegen die nun anstehende Schließung werden Betriebsrat und NGG vermutlich wenig tun können. Dass die Beschäftigten das Hostel weiterführen scheint völlig ausgeschlossen, denn das Grundstück und das Hostelgebäude darauf gehören Betreiber Sascha Dimitriewicz. Dass er das Hostel angesichts der Immobilienpreise sicher nicht aus wirtschaftlichen Gründen offen halten müsste, habe dieser schon vor einiger Zeit zu Sebastian Riesner gesagt.

Für den Berliner NGG-Chef ist die Geschichte ums wombat’s in zweierlei Hinsicht ein wichtiges Beispiel: „Im Guten, weil sich hier zeigt, dass gewerkschaftliche Solidarität etwas bewirkt. Den Tarifvertrag haben sich die Kolleginnen und Kollegen erstreikt, weil sie zusammengehalten haben. Und es ist ein gutes Beispiel dafür, dass Menschen sich nicht alles gefallen lassen, sondern sich wehren.“

Und im Schlechten? „Durch Unternehmerwillkür werden demokratische Rechte außer Kraft gesetzt. Sie schließen den Betrieb, setzen die Leute auf die Straße, und dagegen können wir rechtlich nichts machen. Das macht wütend und auch hilflos“, sagt Riesner.

„Hier soll ein Exempel an einer kämpferischen Belegschaft und ihrer Gewerkschaft statuiert werden. Deshalb ist auch die Politik gefordert“, sagt der Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser gegenüber „nd“. Aber was tun?„Zunächst müssen wir den Fall weiter in der Öffentlichkeit halten. Den Eigentümern muss klar sein: Wenn die den Laden jetzt wirklich dicht machen und dann irgendwann wieder ein Hostel in Berlin eröffnen, dann können sich auf heftige Proteste gefasst machen.“ Zudem müssten endlich die Mitbestimmungsrechte so gestärkt werden, dass es nicht mehr möglich sei, eine unliebsame Belegschaft durch Schließung einfach gegen eine bequemere auszutauschen, so der gewerkschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion weiter.

Dass Dimitriewicz und Mitbetreiber Marcus Praschinger das versuchen werden, ist so abwegig nicht. Nach bisheriger Rechtsprechung können Arbeitgeber ein neues, nahezu identisches Unternehmen nach nur sechs Monaten am gleichen Ort wieder eröffnen, dann allerdings ohne nervigen Betriebsrat und ohne Gewerkschaft.

Bis es so weit ist, steht noch ein weiteres Gerichtsverfahren ins Haus. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entscheidet am 22. Mai in zweiter Instanz über die Anfechtungsklage gegen die Betriebsratswahl von 2018. Wenn die Arbeitgeber gewinnen, muss sofort eine neue Wahl eingeleitet werden – während die Verhandlungen um den Sozialplan und Interessenausgleich noch laufen. „Das wäre ärgerlich“, sagt Betriebsrat Raphael K., aber er bleibt auch nach mittlerweile zwölf Jahren im Unternehmen und im fünften Jahr als Betriebsrat kämpferisch. „Die Wahl würden wir gewinnen, und das Wahlkampfthema wäre dann auch ganz klar: Gegen die Schließung!“

Zuerst veröffentlicht in “neues deutschland” am 20. Mai 2019